Wie scheine ich für mich und andere?
- Yasemin
- 16. Sept. 2024
- 3 Min. Lesezeit

Bei dem Thema „Inneres Licht“ fange ich sofort an das Lied der Beatles „Inner Light“ zu summen: „Without going out of my door…“, ein wunderschöner Song, komponiert von George Harrison[1]. Der Text basiert auf dem 47. Kapitel des Tao te King:
„Es ist nicht nötig zu reisen,
um die Welt zu verstehen.
Es ist nicht nötig, aus dem Fenster zu blicken,
um uns selbst zu erkennen.
Je mehr wir außerhalb unserer Selbst nach Wissen suchen,
desto weniger wissen wir etwas.
Wir wandern nicht umher,
dennoch erlangen wir Wissen.
Wir blicken nicht umher,
dennoch erlangen wir Verstehen.
Wir strengen uns nicht an,
dennoch bewältigen wir alles.“
(aus: William Martin, Der Weg der Weisheit. Das Tao te King für den Alltag, 2009, advaitaMedia)
Der Weg zum Licht führt nach innen, das haben alle spirituellen Traditionen erkannt. Aber wie komme ich da hin, wie erlange ich das Licht, um für mich und andere zu strahlen?
Es geht nur mit innerer Arbeit. Im Außen gibt es viele schöne Dinge, die wir genießen oder die uns ablenken und das ist auch in Ordnung. Das Leben fordert ohnehin seinen Tribut: wir arbeiten, verdienen Geld, zahlen Steuern, leben in Beziehungen, kümmern uns um die Familie usw. Innere Arbeit bedeutet, in Kontakt mit seinen Gefühlen und Bedürfnissen zu kommen und dabei seine „Hänger“ bzw. Schattenseiten zu erkennen, sie sich bewusst zu machen und anzunehmen. Das geht nicht über Nacht, es ist vielmehr eine langer Prozess mit Lichtblicken, aber auch vielen Rückfällen. Ganz allmählich heilen vielleicht tief sitzende Wunden aus der Kindheit oder aus einem vergangenem Leben, verschieben sich Perspektiven und Gewohnheiten und durch einen Spalt dringt ein Lichtstrahl durch… wie Leonard Cohen in dem Lied „Anthem“ schon sang: „“There is a crack, a crack in everything - That's how the light gets in”[2].
Das Ziel ist, mit sich selbst Frieden zu schließen und alles, was einem wiederfährt, d.h. alles was wir sehen, hören, denken, fühlen, sagen und tun als eine Notwendigkeit auf dem Weg zum Erwachen anzusehen. Und keinen Widerstand zu leisten… Das ist die bedingungslose Hingabe von der die großen spirituellen Meister sprechen.
Wer dies hier liest, ist bereits auf ihrem/ seinem eigenen Weg nach innen und hat offenbar einen „Ruf“ erhalten und Kundalini Yoga für sich entdeckt. Der große Werkzeugkasten des Kundalini Yoga bietet wunderbare Kriyas und Meditationen, um die Gedanken zu beruhigen, einen meditativen Geist zu erlangen und innere Stille zu erfahren. Eine regelmäßige Praxis bzw. Sadhana macht es möglich, diesen Zustand oft zu erleben, im besten Fall aufrecht zu erhalten und mit in den Alltag zu nehmen.
Es ist diese Stille, die innere Räume öffnet, die eine Weite, eine Unendlichkeit, die Einheit mit Allem spüren lässt, gleichzeitig durchlässig und empfänglich macht. Hier, in diesem Raum ist es möglich, unsere Themen anzuschauen und mit ihnen Frieden zu schließen. Gelingt dies, beginnen wir zu strahlen. Wir können uns ganz offen, unverstellt zeigen, innen wie außen gleich, durch und durch authentisch. Menschen spüren unseren inneren Frieden und unsere Durchlässigkeit und werden davon angezogen.
Welch große Chance, für andere ein Vorbild zu sein und ihnen diesen Weg vorzuleben! Als Yogalehrer: innen haben wir die Möglichkeit, Menschen, die sich davon angesprochen fühlen, zu unterrichten und sie an diesen Erfahrungen teilhaben zu lassen. Die innere Arbeit hört dabei nicht auf, denn wie schnell kann sich das Ego zeigen und schon kommt ein Höhenflug, eine Überheblichkeit! Bleibt man aber auf dem Boden, ist es ein unglaublich großes Geschenk, Yoga weiterzugeben und in den Schüler: innen ein Lichtchen zu entfachen.
Yoga endet aber nicht auf der Matte, er ist ein Lebensweg. Das Licht von jedem von uns ist in der heutigen Zeit dringend gebraucht und zwar in allen Lebensbereichen. Wie schön wäre es, wenn es uns gelänge, eine Gesellschaft von bewussten, in sich ruhenden, friedlichen, strahlenden Menschen zu erschaffen… zumindest ansatzweise…
“Es gibt ein Licht, das jenseits aller Dinge auf Erden scheint, jenseits von uns allen, jenseits der Himmel, jenseits der Höchsten, der allerhöchsten Himmel. Das ist das Licht, das in unseren Herzen scheint.“ Chandogya Upanishad
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/The_Inner_Light_(Lied); https://www.last.fm/de/music/The+Beatles/Lady+Madonna/The+Inner+Light
[2] https://qz.com/835076/leonard-cohens-anthem-the-story-of-the-line-there-is-a-crack-in-everything-thats-how-the-light-gets-in
von Yasemin Tuna-Nörling
erschienen in: Kundalini Yoga Journal Nr. 50 August 2024
Comments