"Om" (auch Aum geschrieben), eines der heiligsten Symbole im Hinduismus und Buddhismus, trägt den vedischen Schriften zufolge den Klang des Universums und den Kraft der Schöpfung in sich. „Om“ ist der Urklang, die Urschwingung, die auch Pranava oder Omkara genannt wird, die alles durchdringt und das kosmische Bewusstsein widerspiegelt.
Gott Krishna offenbart sich in der Bhagavadgita Gita, Kap.7. Vers 8. :
„Ich bin das eigene Wesen von allem und jedem. Im reinem Wasser bin ich der süße Geschmack. In der Sonne und dem Mond bin ich der Strahlenglanz. Im innersten Zentrum menschlicher Wesen lebe ich als Zeugungskraft und Mut: ICH BIN DIE HEILIGE SILBE OM, DIE DAS GÖTTLICHE BEZEICHNET, UND ICH BIN DEREN IM GANZEN UNIVERSUM VERNOMMENER KLANG.“[1]
Vier Bewusstseinszustände
In der Mandukya Upanishad, werden die drei Buchstaben A,U, und M, die phonetisch „Om“ bilden, verschiedenen Bewusstheitszuständen zugeordnet:
"A" repräsentiert den Wachzustand (Jagrat). Er steht für das bewusste, wache Erleben der äußeren Welt, die physische Realität und das gegenwärtige Leben.
Das "U" symbolisiert den Traumzustand (Swapna). Er repräsentiert den Bereich der inneren Welt, das Unbewusste und Träume sowie das kreative und intellektuelle Potenzial.
Das "M" steht für den tiefen Schlaf oder den Zustand der Traumlosigkeit (Shushupti). In diesem Zustand gibt es keine bewusste Wahrnehmung.
Zusätzlich gibt es ein viertes Element, das in den drei Klängen implizit ist: Die Stille, die auf das OM folgt, repräsentiert den vierten Zustand (Turiya), der als Zustand der Erleuchtung oder des absoluten Bewusstseins gilt. Es ist das Ziel des spirituellen Strebens, das Einswerden mit dem Absoluten.
Alles ist im Symbol enthalten
Diese Bewusstseinszustände sind auch in den verschiedenen Teilen des Om-Symbols selbst enthalten: Die untere linke Kurve symbolisiert den Wachzustand, die obere linke Kurve den Zustand des traumlosen Schlafs, die mittlere Kurve rechts steht für den Traumzustand. Der Halbkreis darüber repräsentiert Maya, den Schleier, der uns von der Erleuchtung abhält und der Punkt darüber wiederum steht für den vierten Zustand, den Zustand der Erleuchtung.
Im Sikhismus ist der Klang "Ong" Teil des Symbols "Ek Onkar", was "Gott ist eins" bzw. „Der Schöpfer und die Schöpfung sind eins“ bedeutet. Ek Onkar oder Ek Ongkar ist der Anfang des Mool-Mantras und der erste Satz im Siri Guru Granth Sahib, es drückt die Einheit und die Allgegenwart Gottes aus und "Ong" innerhalb dieses Ausdrucks bezieht sich auf den Schöpfer und die universelle Schöpfungskraft. Es gibt also keinen Unterschied in der Bedeutung der Worte Om und Ong. Die Lautverschiebung hängt mit Sanskrit-Regeln zusammen, bei dem das „m“ von Om in ein gutturales „n“ verwandelt wird, wenn darauf ein „ka“ folgt, sodass der nasale Konsonant und das „ka“ beide im hinteren Teil des Mundes ausgesprochen werden.
In der Kundalini-Yoga Tradition heißt es, dass im Gegensatz zu "Om", „Ong" eine dynamischere Bedeutung hat und die schöpferische Energie, die ständig in Bewegung ist, und die kontinuierliche Manifestation der Realität repräsentiert.
Keimsilbe als Schwingungsenergie
Om/Ong ist ein Bij-Mantra, eine sog. Keimsilbe, die eine starke Schwingungsenergie enthält. Die Ärztin Mohani Heitel erklärt, dass durch die Intonation des „Om“ Vibrationen vom Hals zur Brust bis zum Schädel ausbreiten und das zentrale Nervensystem und die Drüsen in Schwingung bringen bis alle Zellen davon betroffen sind. Chantet man „Om“ mit langen, tiefen Atemzügen, spürt man bald die tiefe meditative Wirkung. Die Erfahrung intensiviert sich erheblich bei wiederholten „Ong, Ong, Ong“-Chants, da die Vibration stärker ist und man den Körper tatsächlich als Klangkörper wahrnimmt.
Om/Ong ist das Bij-Mantra für das Ajna-Chakra bzw. 3. Auge, das mit der Hypophyse in Verbindung gebracht wird. Hier treffen sich die Hauptenergie-Kanäle Ida, Pingala und Shushumna. Es ist das Zentrum der Intuition, Klarheit und Selbstbestimmung.
Die Maitri Upanishad besagt:
„Es gibt zwei Wege, über Brahman zu meditieren: im Klang und in der Stille. Der Klang Brahmans ist Eins. Mit Om gehen wir zum Ende, nämliche zur Stille Brahmans. Das Ende ist die Unsterblichkeit, die Vereinigung und der Frieden.“
Möge jede/r Yogini/ Yogi diese wunderbare Klagerfahrung mit Om / Ong machen und in die Stille kommen- am besten anhaltend…
[1] Jack Hawley (Hrsg.), Bhagavad Gita. Das Heilige Buch des Hinduismus, 2002, 111
Weitere Quellen zu Om/ Ong: Mohani Heitel, Die heilenden Klänge der Mantras, 2007; S.K. Ramachandra Rao, Om, The ultimate Word, 2005; Thomas Ashley-Farrand, Healing Mantras, 1999; Russil Paul, The Yoga of Sound, 2004; The Aquarian Teacher, Level I Textbook, KRI, 2003; https://www.sikhiwiki.org/index.php/Ek_Onkar: https://www.sikhphilosophy.net/threads/aum-and-ong.39383/
von Yasemin Tuna-Nörling
veröffentlicht im: Kundalini Yoga Journal Nr, 50 Dezember 2024
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